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taz, 21.04.2012

Marx auf dem Markt

KRITIK DER POLITISCHEN ÖKONOMIE - Die Krise macht's möglich: "PolyluxMarx" heißt der gelungene Versuch einer Visualisierung des ersten Bands von Karl Marx' "Das Kapital", die auch eine Aktualisierung des Werks versucht.

In den letzten Jahren wurde in zahlreichen Formaten versucht, Marx' Ökonomiekritik zu vermarkten. Rimini-Protokoll zeigte eine Theaterfassung des ersten Bands von "Das Kapital", und Alexander Kluge fertigte einen Endlosstreifen, der an Sergei Eisensteins Pläne für eine Verfilmung des Marx'schen Stoffs anknüpfte. Eine Gruppe von BildungsarbeiterInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist nun für die neueste Visualisierung der "Kritik der politischen Ökonomie" verantwortlich.

"PolyluxMarx. Bildungsmaterial zur ,Kapital'-Lektüre" heißt das gelungene Projekt, in dem auf 117 thematisch gruppierten Powerpoint-Folien versucht wird, durch den ersten Band von Marx' Opus magnum zu führen. Allgemeinverständlichkeit und Witz, die nicht zulasten inhaltlicher Differenzierung gehen, sind dabei die Leitlinie. "PolyluxMarx" kann deswegen auch denjenigen, die sich auf eigene Faust an der Lektüre versuchen wollen, ans Herz gelegt werden. Ein Begleitband bietet die nötigen Erklärungen.

Beachtlich ist, wie die AutorInnen es geschafft haben, die in vergleichbaren Darstellungen nahezu durchweg problematischen Visualisierungen zu vermeiden, beispielsweise wenn Marx' Formulierung von abstrakter Arbeit als "Substanz" des Werts wörtlich genommen wird. Die entsprechenden Folien warnen uns im vorliegenden Fall, dass die dargestellten Abstraktionszusammenhänge ausschließlich "im Sinne eines gesellschaftlichen Geltungsverhältnisses" zu verstehen seien. Darüber hinaus wird en passant immer wieder die ungebrochene Gültigkeit der Marx'schen Kapitalismusanalyse zum Ausdruck gebracht: In den Beispielen für Waren finden sich nicht nur Leinwand und Rock wie bei Marx, sondern auch Dienstleistungen wie eine Taxifahrt. Kurzum, man merkt, dass die AutorInnen viel Erfahrung in der Vermittlung des nicht ganz leichten Stoffs haben.

Ebenfalls hervorzuheben ist, wie in den vorliegenden Ausführungen versucht wird, Diskussionen über verschiedene Verhältnisse sozialer Ungleichheit zu integrieren. So wird im Zusammenhang mit der Wertbestimmung der Ware Arbeitskraft auf Rassismus und auf asymmetrische Geschlechterverhältnisse verwiesen - Themenfelder, die Marx bestenfalls angedeutet, aber nicht ausgeführt hat. 

von Kolja Lindner

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